Auf eines unserer ältesten, auch heute noch häufig benutzen Medikamente fällt ein Schatten (vgl. a-t 2 [1991], 21). Es wird darauf hingewiesen, daß Chloralhydrat (CHLORALDURAT u.a.) ein Metabolit des bei
Nagern krebserzeugenden Trichlorethylens ist. Darüber hinaus sei es ein Mutagen und wirke auch chromosomenschädigend.1
Folgendes ist jedoch zu bedenken:
1. "Die Standardkarzinogentests an Nagern sind ein obsoletes Relikt der Unkenntnis früherer Jahrzehnte".2
2. Selbst wenn man solche Tests als relevant ansehen würde, haben umfangreiche epidemiologische Studien3 (mit weiterer
einschlägiger Literatur) keinen Anhalt für ein gehäuftes Auftreten von Leberkarzinomen beim Menschen nach jahrelangem Kontakt mit diesem
früher als Inhalationsnarkotikum verwendeten Lösungsmittel (und damit durch das im Körper daraus entstehende Chloralhydrat) ergeben.
3. Bei einem so häufig und seit so langer Zeit verwendeten Medikament sollten Tierversuche durch epidemiologische Nachuntersuchungen an den
Hunderttausenden, die gelegentlich oder häufig Chloralhydrat bekamen, gesichert werden, bevor man Schlüsse zieht.
4. Denn nur zu leicht kann der Druck einer aufgeschreckten Öffentlichkeit und hysterisch reagierender Massenmedien das Verschwinden eines solchen
Medikaments erzwingen.
Da aber auch weiter Sedativa (auch wie in diesem Falle für Kinder beim Zahnarzt) benötigt werden, ist dann das an seine Stelle tretende Medikament
bezüglich seiner Risiken besser bekannt als das alte Chloralhydrat?
Prof. Dr. H. IPPEN, Dipl. Chem. (Univ.-Hautklinik Göttingen)
W-3400 Göttingen
1 | SMITH, M. T.: Science 250 (1990), 359 |
2 | ABELSON, P. H.: Science 249 (1990), 1357 |
3 | PADDLE, G. M.: Brit. med. J. 286 (1983), 846 |
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