NEUERE GERING SEDIERENDE |
Innerhalb von 6 Jahren nahmen die Verordnungen von Antiallergika um 30% auf 8,5 Millionen zu. Diese Entwicklung geht wesentlich auf die relativ
neuen nicht oder nur gering sedierenden Antihistaminika zurück. Terfenadin (TELDANE u.a.) und Astemizol (HISMANAL) entwickelten sich in Deutschland
rasch zu Marktführern (TELDANE mit 1,7 Millionen Packungen im Wert von 48 Millionen DM [Apothekenabgabepreis] und HISMANAL mit 1,3 Millionen
Packungen für 37 Millionen DM). Nun erweitern Cetirizin (ZYRTEC; Werbung: "Ihre Patienten bleiben munter") und Loratadin (LISINO;
"erhält munter und mobil") die Auswahl. Wellcome plant zudem die Einführung des in Großbritannien bereits erhältlichen Acrivastin
einem Abkömmling des seit 25 Jahren erhältlichen Triprolidin (PRO-ACTIDIL). Der Nutzen gering sedierender Antihistaminika bei Pruritus bleibt umstritten (vgl. a-t 4 [1984], 34). Weder Astemizol noch Terfenadin erwiesen sich
in einer Versuchsreihe bei nächtlichem Juckreiz von Nutzen, jedoch scheinen Terfenadin und Acrivastin in einer anderen Versuchsreihe über jeweils zehn
Tage Plazebo überlegen zu sein.1 Wegen fehlender sedativer Effekte sollen sich die neueren H1-Rezeptor-Antagonisten weniger zur
Linderung von Symptomen wie Juckreiz bei nicht Histamin-abhängigen Dermatosen wie Ekzem und Psoriasis eignen. UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Hier ist der Kenntnisstand unzureichend. Die neueren Wirkstoffe durchdringen die Blut-Hirnschranke geringer
und machen seltener müde als konventionelle Antihistaminika. In einer Übersicht wird Sedierung zu je 8% unter Loratadin und Terfenadin beschrieben, bei
Plazebo zu 6%. Auch für Loratadin (LISINO) werden Kopfschmerzen und Mundtrockenheit beschrieben.3 Im NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION erhielten wir für Loratadin neben Mitteilungen über Müdigkeit und Fahruntüchtigkeit Berichte über Depression (Fall-Nr. 3612), orthostatischen Schwindel (Nr. 3794), juckende Dermatose und Atemnot (Nr. 3943) sowie beidseitige eigroße Mammahypertrophie (Nr. 4121). Das 1985 eingeführte Astemizol (HISMANAL) wirkt in sehr hohen Dosen arrhythmogen (vgl. a-t 6 [1987], 54). Nahrungsaufnahme reduziert die Absorption bis zu 60%. Daher ist das Mittel mindestens zwei Stunden nach oder eine Stunde vor einer Mahlzeit einzunehmen.4 Müdigkeit, Kopfschmerzen und Nervosität kommen unter Astemizol ebenso vor wie bei Terfenadin (vgl. a-t 12 [1988], 107). In Verbindung mit Astemizol und Terfenadin berichtete reversible Parästhesien lassen sich möglicherweise kaum von den allergischen Beschwerden abgrenzen (vgl. a-t 1 [1991], 6). Dem NETZWERK wurden zudem unter Astemizol Epistaxis (Fall-Nr. 1118), Hautausschlag (Nr. 2024), Tachykardie (Nr. 2562), Schwindel (Nr. 2617), Depression und Aggression (Nr. 2118), Migräne und Sehstörungen (Nr. 3820), Amnesie (Nr. 4307), Taubheitsgefühl an Füßen und Fingern (Nr. 4498) sowie Ausbleiben der Regel bei gleichzeitiger MARVELON-Einnahme (Nr. 3201) gemeldet. Etwas besser lassen sich die unerwünschten Effekte des seit 1982 erhältlichen Terfenadin (TELDANE, FOMOS, HISFEDIN) überblicken: Depression, Alpträume, Schlafstörungen, Geschmacksstörungen und Hautreaktionen (vgl. a-t 10 [1989], 95). Reversible Parästhesien können vorkommen. Der FDA gingen 61 Meldungen über kardiale Zwischenfälle in Verbindung mit Terfenadin zu, darunter Torsade de pointes ("chaotische Kammertachykardie"), QT-Verlängerung und/oder ventrikuläre Arrhythmien, also ähnliche Effekte wie bei Astemizol. Zum Teil lagen Überdosierungen vor, oder es wurden gleichzeitig Makrolidantibiotika oder Ketoconazol (NIZORAL) gegeben.5 Aus dem NETZWERK kennen wir Beobachtungen von Haarausfall (Fall-Nr. 2580), Appetit- und Gewichtszunahme (Nr. 2694), Ausbleiben der Regel (Nr. 1274) und rezidivierendem Kammerflattern mit Synkopen (Nr. 3682) in Verbindung mit Terfenadin. AUSWAHL: Astemizol eignet sich wegen seiner extrem langen Halbwertszeit, die einschließlich aktiver Metaboliten 10 Tage beträgt, nicht zur
Behandlung akuter Zustände wie Angioödem (vgl. a-t 9 [1984], 70; 3 [1989], 33). Die Dosisfindung kann Schwierigkeiten bereiten. Andererseits
dürfte eine unregelmäßige Einnahme den Therapieerfolg kaum stören, und der die Nacht überdauernde Effekt mag bei saisonaler Rhinitis
von Vorteil sein. |
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