VORBEUGUNG UND THERAPIE DER OSTEOPOROSE (I) |
Unter Osteoporose versteht man eine Verminderung der Knochenmasse über die Altersnorm hinaus ohne Veränderung der
Zusammensetzung. Zu unterscheiden sind sekundäre, teils kausal behandelbare Osteoporosen (Steroidtherapie, endokrine oder maligne Erkrankungen,
Immobilität, chronische Lebererkrankungen, spezielle Empfohlen werden 600 µg konjugierte (PRESOMEN 0,6 u.a.) oder 2 mg natürliche Östrogene (Estradiol [PROGYNOVA]). Ethinylestradiol (PROGYNON C) ist für diese Indikation wenig untersucht und wahrscheinlich zu wirkstark, Estriol (GYNÄSAN u.a.) nicht ausreichend wirksam. Zur parenteralen Anwendung erscheinen allein die transdermalen Systeme erfolgversprechend (ESTRADERM TTS).20 Ihre Wirksamkeit und die theoretisch durch geringere Metabolisierung in der Leber zu erwartende bessere Verträglichkeit sind jedoch noch nicht ausreichend belegt.21 Wie in allen Studien sollte mit der Östrogen-Substitution eine Kalziumgabe verbunden sein. Um eine fortdauernde endometriale Stimulation durch die Östrogen-Zufuhr zu vermeiden, wird die Kombination mit einem Gestagen empfohlen,
vorzugsweise zyklisch für die letzten 12 Tage eines jeden Monats. Die genaue Gestagen-Dosierung ist individuell auszutitrieren, Progesteron-Derivate sind zu
bevorzugen (z.B. Medroxyprogesteronazetat [CLINOVIR u.a.] ca. 2,5-10 mg, Chlormadinon [GESTAFORTIN] ca. 5-10 mg).9 Durch den Gestagenzusatz
werden uterine Blutungen kontrolliert, persistieren aber für die Dauer der Substitution. * Im NETZWERK sind indes solche Komplikationen, z. B. nach TRISEQUENS u.a. beschrieben. Daß eine Östrogen-Gestagen-Prophylaxe postmenopausal im Gegensatz zu den bekannten Risiken hormonaler Kontrazeptiva relativ verträglich ist, läßt sich dadurch erklären, daß es sich um eine Substitution statt um eine Therapie handelt und vorzugsweise natürliche Östrogene verwendet werden. Es gibt derzeit keine Hinweise, daß der protektive Effekt der Östrogene auf Osteoporose und kardiovaskuläre Erkrankungen durch die Gestagen-Komponente vermindert wird. Das Gegenteil könnte eher der Fall sein.32Kontrovers wird beurteilt, welchen Frauen in der Postmenopause eine Substitution zu empfehlen ist. Eine frühe Ovarektomie, primäre und sekundäre Amenorrhoen sowie im Sinne eines Östrogenmangels zu deutende klimakterische Beschwerden werden allgemein als Indikationen akzeptiert. Im übrigen wird die Östrogen-Gestagen-Therapie am ehesten für Frauen mit zwei oder mehr der oben genannten Risikofaktoren für die Entwicklung einer postmenopausalen Osteoporose zu empfehlen sein. Möglicherweise gelingt es zukünftig, durch serielle Messungen der Knochendichte sogenannte "fast losers" unter den Frauen zu identifizieren und gezielt zu substituieren. Auch für eine generelle Anwendung bei allen postmenopausalen Frauen finden sich Befürworter.9,22 Andere halten dagegen eine 10jährige Hormontherapie bei gesunden, asymptomatischen Frauen ohne Risikofaktoren für nicht gerechtfertigt.10,11 Da in bisherigen Studien Frauen mit und ohne Risikofaktoren nie getrennt untersucht wurden, weiß man nicht, ob sogenannte Risikopatientinnen mehr, genauso oder sogar weniger von der Substitution profitieren.21 Nach ausgiebiger Information über Nutzen und Risiko der Hormonsubstitution scheinen die meisten (mehr als 75%) postmenopausalen Frauen die Hormonprophylaxe zu akzeptieren.23 CALCITONIN: Hauptwirkung von Calcitonin (KARIL u.a.) ist ein hemmender Effekt auf die Osteoklasten und damit auf die Knochenresorption. Frauen weisen postmenopausal einen erniedrigten Serum-Calcitonin-Spiegel auf. Möglicherweise wird der Östrogeneffekt auf den Knochen durch Calcitonin vermittelt.24 250 µg Calcitonin pro Woche vermögen den frühen postmenopausalen Knochenverlust an den Wirbelkörpern in gleichem Maße aufzuhalten wie eine Östrogen-Substitution.25 Wegen der bisherigen Notwendigkeit einer parenteralen Gabe mit zum Teil starken Störwirkungen wird die praktikablere nasale Applikation erprobt. Dabei nimmt unter 50-100 µg täglich über 1-2 Jahre der vertebrale Knochenverlust in der frühen Postmenopause deutlich ab.26,27 Die Knochendichte im peripheren Skelett bleibt dagegen unbeeinflußt.27 Zur Prävention von Frakturen liegen derzeit noch keine ausreichenden Studien vor. Sollten diese positive und einer Östrogen-Substitution vergleichbare Ergebnisse erbringen, und sollte sich die intranasale Gabe bewähren, könnte Calcitonin in Zukunft eine Alternative zur Sexualhormonsubstitution werden. Neben dem Preis wäre zu beachten, daß nicht alle Personen auf die Prophylaxe anzusprechen scheinen und bei anderen nach 1-2 Jahren ein Wirkverlust möglich ist,24 möglicherweise infolge Antikörper-bedingter Inaktivierung des Wirkprinzips. DIPHOSPHONATE: Die antiresorptiv wirkenden Diphosphonate haben vielleicht einen Präventiveffekt auf die Entwicklung einer Steroidosteoporose. In einer randomisierten Doppelblindstudie nahm die Knochendichte an Wirbelkörpern in 12 Monaten überraschend deutlich um ca. 20% zu und blieb an den Metacarpalknochen zumindest konstant, während unter Plazebo jeweils eine Reduktion festzustellen war.28 Über erste positive Ergebnisse wurde auch bei der Prävention der postmenopausalen Osteoporose berichtet: Eine 6monatige Tiludronat-Behandlung verhinderte im Gegensatz zu Plazebo über ein Jahr den Knochenverlust an Wirbelkörpern.29 Dies sind erste günstige Ergebnisse. Der Stellenwert der Diphosphonate in der Prävention der Osteoporose bleibt zu klären. VERSCHIEDENE WIRKSTOFFE: Fluoride haben keinen Platz in der Prävention der Osteoporose. Anabolika sind wegen der bekannten Störeffekte (Hepatotoxizität u.a.) ebenfalls nicht angezeigt.10,11 Da sich im Alter niedrigere Serum-Vitamin-D-Spiegel finden, wurden Versuche mit einer Substitution unternommen. Jedoch ließ sich der Knochenverlust in der frühen Menopause mit Calcitriol (ROCALTROL) nicht verhindern. Bei älteren Frauen wurden sogar nachteilige Effekte mit vermehrten Wirbelkörperkompressionen beobachtet.30 Vorstufen von Calcitriol (z.B. Vitamin D2) sind bisher nicht ausreichend untersucht. Eine Vitamin-D-Therapie kann zur Prävention einer Osteoporose nicht empfohlen werden und sollte nur bei nachgewiesenen Mangelzuständen, die üblicherweise mit einer Osteomalazie einhergehen, erfolgen. Eventuell vermögen Thiazid-Diuretika durch ihre im Gegensatz zu Schleifendiuretika antikalziurische Wirkung bei Anwendung über mehr als 5 Jahre das Risiko von Schenkelhalsfrakturen zu vermindern.31 Dieser Aspekt sollte bei der Wahl eines Diuretikums im Alter berücksichtigt werden. FAZIT: Als Allgemeinmaßnahmen zur Prävention einer Osteoporose haben mäßige körperliche Aktivität und eine kalorisch ausreichende Ernährung, insbesondere in frühen Lebensjahren, einen gewissen Stellenwert. Der präventive Effekt einer kalziumreichen Nahrung ist zweifelhaft und bisher nur für eine Frauengruppe in der späten Postmenopause wahrscheinlich gemacht. Dennoch wird allgemein eine tägliche Kalziumaufnahme von 800-1.500 mg empfohlen, vorzugsweise in Form von Milchprodukten. Östrogene verhindern in der frühen Postmenopause den Knochenabbau und senken das Frakturrisiko. Sie sind bei Frauen mit erhöhtem Osteoporoserisiko für ca. 10 Jahre postmenopausal zu empfehlen. Die Kombination mit Gestagenen mindert Störeffekte. Gesamt-Morbidität und - Mortalität werden eher günstig beeinflußt. Calcitonin (KARIL u.a.) und Diphosphonate vermögen wahrscheinlich ebenfalls den postmenopausalen Knochenverlust aufzuhalten. Eine Reduktion der Frakturraten ist jedoch nicht ausreichend belegt. Sie könnten zukünftig in besonderen Fällen Alternativen darstellen, sind aber bisher zur Prävention der Osteoporose nicht zugelassen. Fluoride, Anabolika und Vitamin-D-Präparate sind nicht angezeigt. In der nächsten Ausgabe: Therapie der Osteoporose |
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