* In anderen Ländern als PROZAC im Handel
Im arznei-telegramm 2 (1990), 25 sowie auf Seite 1176 des transparenz-telegramm 1990/91 kommen wir zu einer negativen Einschätzung des neuen
Antidepressivums Fluoxetin, das die Firmen Lilly und Hoechst AG unter dem Warenzeichen FLUCTIN zunächst Psychiatern und im Herbst dieses Jahres
Praktikern und Internisten vorstellen werden.
Das Bundesgesundheitsamt hatte noch 1985 Bedenken, die Zulassung für Fluoxetin-haltige Arzneimittel zu erteilen. In einem Versagensbescheid des Amtes
heißt es, die betreffenden Arzneimittel seien nicht nach dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden, und die
für sie beanspruchte therapeutische Wirksamkeit sei unzureichend begründet.
Die Bundesoberbehörde hatte seinerzeit Vorbehalte hinsichtlich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, insbesondere bei Langzeitanwendung: Für FLUCTIN
bestehe wegen des "besonderen Nebenwirkungsspektrums der begründete Verdacht auf unvertretbare schädliche Wirkungen". Die
Anwendung der Präparate erscheine "bedenklich, da die antriebssteigernde Wirkung rascher eintritt als die stimmungsaufhellende Wirkung und somit ein
erhöhtes Suizidrisiko gegeben ist." Des weiteren heißt es im Versagensbescheid: Unter der Behandlung mit den Präparaten "kommt es zur
Verstärkung einiger Symptome der Grundkrankheit (Angst, Schlaflosigkeit und Agitiertheit), die als unerwünschte Wirkungen über ein nach den
Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen". "Außerdem sind die Befunde pulmonaler Veränderungen
(Lipoidose der Lunge, pulmonale Akkumulation von Norfluoxetin, dem Hauptmetaboliten von Fluoxetin) nicht ausreichend geklärt; sie bedürfen einer
gründlichen internistischen Bewertung."
Sorge bereitete dem Amt die für Fluoxetin zu vermutende Leberschädlichkeit: "Patienten mit Leberschäden sind von der Behandlung
auszuschließen (Gegenanzeige aufgrund der hepatotoxischen Wirkung)". "In regelmäßigen Abständen sind leberspezifische
Enzymkonzentrationen im Blut der Patienten zu bestimmten sowie ophthalmoskopische Untersuchungen durchzuführen (Grund: ungeklärte Relevanz der
Phospholipidosen bezüglich einer eventuellen Augenschädigung)."1
Von informierter Seite hören wir von Herzstillstand, Herzinfarkt, plötzlichem ungeklärtem Tod und Lungenembolie unter Fluoxetin-Medikation sowie
von schweren Unverträglichkeiten bei gleichzeitiger Gabe von Benzodiazepin-Tranquilizern, anderen Antidepressiva (Trizyklika, Lithium) oder Neuroleptika.
MAO-Hemmer müssen zwei Wochen vor Beginn der Fluoxetin-Einnahme abgesetzt und dürfen frühestens fünf Wochen nach dem Absetzen
von Fluoxetin eingenommen werden, um ein toxisches "Serotonin-Syndrom" durch Fluoxetin-Restwirkungen zu vermeiden.6 Gewisse Analogien
hinsichtlich der Pathogenese der Unverträglichkeiten, die durch andere Antidepressiva bzw. die Serotonin-Vorstufe L-Tryptophan ausgelöst werden,
mahnen zu erhöhter Vorsicht.
Es besteht der begründete Verdacht, daß Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Fluoxetin in den L-Tryptophan-Abbau eingreifen. So sind toxische
Reaktionen unter Fluoxetin bei gleichzeitiger L-Tryptophan-Einnahme dokumentiert.2 Drei von zehn Patienten mit dem L-Tryptophan-induzierten
Eosinophilie-Myalgie-Syndrom standen unter Fluoxetin-Medikation; drei weitere nahmen andere Antidepressiva ein.3 Die Schädigung könnte auf
irregulärer Verstoffwechselung der essentiellen Aminosäure L-Tryptophan beruhen.4,5 Die epidemische Häufung von L-Tryptophan-
Vergiftungsfällen in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland (dem NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION sind 11 Fallmeldungen, dem
Bundesgesundheitsamt über 80 Berichte zugegangen) deuten auf z.T. irreversible Schädigungen lebensbedrohlicher bis tödlicher Art.
Wir raten von der Verordnung Fluoxetin-haltiger Arzneimittel ab. Das Bundesgesundheitsamt wurde gebeten, Maßnahmen nach dem Stufenplan zur Abwehr
von Arzneimittelrisiken für FLUCTIN zu ergreifen.
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