In jüngster Zeit gibt es mehrere Versuche, Patientinnen mit Bulimia nervosa, aber auch lediglich adipöse Patientinnen und
Patienten, insbesondere mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern medikamentös zu behandeln.
Eine Verwendung etwa von Fluvoxamin für diesen Indikationsbereich wird von der Fa. Duphar in ihren medizinisch-wissenschaftlichen Informationen zum
Präparat FEVARIN auf S. 41 unter der Überschrift "zukünftige Perspektiven" angekündigt, wo es zunächst mit Bezug auf
Alkoholabusus heißt: "... hier eröffnet sich eine interessante Möglichkeit für den therapeutischen Einsatz von Fluvoxamin bei Abusus. Auf
diesem Gebiet laufen weiterführende Arbeiten beim Menschen, ebenso in der Therapie chronischer Schmerzsyndrome, bei psychogenen
Eßstörungen und Angsterkrankungen."
Ein Vertreter der Fa. Duphar bestätigte mir in einem Gespräch, daß gegenwärtig u.a. in der Klinik "Roseneck" in Prien am Chiemsee,
einer Fachklinik, in welcher viele eßgestörte Patientinnen rehabilitativ behandelt werden, eine großangelegte klinische Studie laufe. Nach meinem
Eindruck handelt es sich dabei möglicherweise schon um einen ersten Marketing-Schritt.
Als Psychotherapeut muß ich es für sehr bedenklich halten, wenn Eßverhaltensstörungen zunehmend einer so gearteten pharmakologischen
Behandlung zugeführt würden... Es wäre gut, einer Ausweitung der Indikation für Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer rechtzeitig zu
begegnen.
Dr. N. HARTKAMP
D-4000 Düsseldorf 12
Serotonin-Antagonisten wie Cyproheptadin (PERIACTINOL u.a.) haben als Nebenwirkung eine appetitstimulierende Wirkung und werden unter dieser Indikation
vermarktet (NURAN). Eine appetitanregende Wirkung ist auch eine leider häufig zu beobachtende unerwünschte Wirkung zahlreicher schwach
wirksamer Neuroleptika und Antidepressiva. Eine besondere appetithemmende Wirkung von Antidepressiva mit Wirkungen auf die Wiederaufnahme von Serotonin
läßt sich dabei allerdings nicht feststellen, denn sonst stünde diese Wirkung bei Standardsubstanzen mit betonter Serotonin-
Wiederaufnahmehemmung wie z.B. Amitriptylin (SAROTEN u.a.) auffällig im Vordergrund. Dies scheint nicht der Fall zu sein.
Aus diesem Grund entbehrt u. E. die Profilierung von Fluvoxamin in diese Richtung der wissenschaftlichen Grundlage. Es scheint sich um eine Marketing-Strategie
zur Auffindung von Verkaufsnischen zu handeln, möglicherweise auch im Sinne einer Abwehrstrategie gegen Fluoxetin (FLUCTIN, vgl. S. 42), für das
appetithemmende Effekte beschrieben werden. Es ist übliche Strategie pharmazeutischer Unternehmer, dann zielgerichtet klinische Studien für diesen
Indikationsbereich zu sponsern, um mittels der Ergebnisse und später der Beschäftigung meinungsbildender habilitierter Pharmareferenten Indikationen
für ein ansonsten überflüssiges Arzneimittel zu kreieren. Dies ist Geschäft und hat mit sinnvoller und rationeller Arzneimitteltherapie nichts zu tun.
(Red.).
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